Fallstudie: Gemeinschaftsverpflegung

„Auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Betriebsgastronomie“ – ein Beispiel aus der Praxis

Bei Unzufriedenheit mit den gastronomischen Leistungen im Betriebsrestaurant wird schnell der Ruf nach Veränderung durch einen Wechsel des Kantinen-Betreibers laut. Ein schneller Wechsel ist oft jedoch allein schon vertragsbedingt nicht möglich.

 

Auch können damit - so unsere Erfahrung - Schwierigkeiten häufig nur kurzfristig gelöst werden (nach dem Motto „neue Besen kehren gut“). Hier kann es besser sein, gemeinsam mit allen Beteiligten nach langfristig tragfähigen Lösungen zu suchen und die Kernprobleme anzupacken. Dazu das Fallbeispiel eines größeren Industrieunternehmens mit mehreren Betriebsrestaurants an verschiedenen Standorten in Deutschland.

 

Unzufriedenheit mit der Betriebsgastronomie - leider kein Einzelfall!

 

Unzufriedenheit mit dem eigenen Betriebsrestaurant und dem Business-Caterer ist weit verbreitet. Oftmals lauten die Gründe „zu teuer“, „schmeckt nicht“, „zu unfreundlich“, „immer das Gleiche“, „ungesund“, „nichts für meinen Geschmack“ oder „zu altmodisch“, weshalb viele Beschäftigte ihre Kantine meiden und sich lieber selbst versorgen oder auf gastronomische Alternativen in der Umgebung ausweichen. So auch in dem von uns betreuten Unternehmen. Nach jahrelangem Einsatz desselben Cateringpartners machte sich eine immer größere Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern breit. Dies spiegelte sich auch in den jährlichen Gästezufriedenheitsbefragungen wider, in denen zum Schluss weniger als 50% der Restaurantbesucher ihre volle Zufriedenheit äußerten. Häufig kritisiert wurden das zeitlich starre Angebot, die geringe Auswahl, das zu schwere und nicht mehr zeitgemäße Speisenangebot sowie die Speisenqualität im Allgemeinen.

 

Wie geht nun ein Unternehmen vor, wenn es vertragsbedingt noch einige weitere Jahre an seinen Bestands-Cateringpartner gebunden ist? Häufig stoßen Unternehmen hier an einen Punkt, an dem sie mit eigenen Ressourcen keine Lösung für einen Verbesserungs- bzw. Veränderungsprozess mehr entwickeln können. Fehlende Zeit, sich mit der Materie auseinander zu setzen und auch fehlende Fachkompetenz sind hier häufig die Gründe.

 

Sich wandelnde, flexibilisierte Arbeitswelten fordern auch mehr Flexibilität und Kreativität in der Betriebsgastronomie!

 

Im konkreten Fall ging der Anstoß zur Veränderung von der Unternehmensleitung selbst aus. Unter dem Motto „Arbeiten in modernen, flexiblen Arbeitswelten“ vollzog sich im  Unternehmen ein Wandel hin zu mehr Flexibilität, was die Arbeitszeiten, die Arbeitsorte und auch die Kommunikation der Mitarbeiter (Teamflächen, Home-Office, Co-Working Spaces usw.) untereinander betraf. Dies gab den Impuls, auch die gastronomische Versorgung der Mitarbeiter an diesen Anforderungen neu auszurichten. Eine unmittelbare Trennung vom langjährigen Catering-Partner, um „frischen Wind“ in die eingefahrenen Strukturen hineinzubringen, war aufgrund der Vertragssituation keine Option. Um dennoch kurz- bis mittelfristig Verbesserungen zu erzielen, musste ein gemeinsamer Lösungsweg gefunden werden.

 

Als auf das Gastgewerbe und die Gemeinschaftsverpflegung spezialisiertes Beratungsunternehmen wurden wir damit beauftragt, die Grundlagen für den erforderlichen  Prozess der Veränderung und Neuausrichtung der Betriebsgastronomie zu schaffen. Besonders wichtig war unserem Auftraggeber dabei eine neutrale, fachliche Betrachtungsweise unter Berücksichtig der unterschiedlichen Interessenlagen von Mitarbeitern /Kantinennutzern, Mitarbeitervertretung durch den Betriebsrat und Unternehmensleitung sowie dem Betreiber des Betriebsrestaurants.

 

Um einen ersten Einblick in die Gegebenheiten vor Ort zu erlangen, führten wir eine Bestandaufnahme der Betriebsgastronomie an den größten Standorten des Unternehmens durch. In sogenannten „Dayflashes“ besuchten wir die einzelnen Kantinenstandorte jeweils während eines ganzen Arbeitstages und analysierten die gastronomischen Einrichtungen anhand einer von uns entwickelten Checkliste in diversen Prüfkategorien.

 

Eine zeitgemäße Betriebsgastronomie braucht auch eine moderne und flexible Gastronomieausstattung!

 

Auffällig war für uns im konkreten Fall, dass an fast allen Standorten eine veraltete, starre Speisenausgabesituation vorhanden war und in der Folge auch ein nicht mehr zeitgemäßes, wenig verkaufsfördernd präsentiertes Speisen- und Getränkeangebot. Ein Phänomen übrigens, das uns häufig begegnet und sowohl das Unternehmen hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Hardware als auch den Caterer, hinsichtlich seiner Speisenauswahl und -qualität fordert. 

 

Ideen für eine moderne Betriebsgastronomie

 

Unsere moderne Arbeitswelt mit flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodellen stellt die  Betriebsgastronomie vor ganz neue Aufgaben: ein grundlegendes Umdenken ist gefragt. Die Entwicklung geht weg vom klassischen Angebot am Morgen und zu Mittag zwischen 12 und 14 Uhr hin zur flexiblen Verpflegung frei nach dem Motto: „Snacking around the clock“. Die Gemeinschaftsverpflegung ist damit aufgefordert, Mitarbeitern auch außerhalb des klassischen Mahlzeitschemas attraktive Angebote für eine schnelle, gesundheitsbewusste  und genußvolle Ernährung zu machen und das bei hoher Flexibilität. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten entwickeln sich an kleineren Betriebsstandorten zunehmend flexiblere Modelle der Betriebsverpflegung, die den Fokus auf Snacks und Kleinigkeiten „to-go“ – oft in der Kombination mit einer Kaffeebar legen.

 

Von der Kantine zum trendigen Lunchrestaurant

 

Auch Gestaltung und Atmosphäre nehmen – wie auch in der öffentlichen Gastronomie - eine immer bedeutendere Rolle in der Betriebsgastronomie ein. So legen die Mitarbeiter zunehmend Wert auf Raumgestaltung und Wohlfühlatmosphäre. Das Betriebsrestaurant oder die Kaffeebar müssen Orte sein, an die man gerne kommt, um eine Pause einzulegen. Sie sind zu Orten des kurzfristigen Rückzugs und der informellen Kommunikation und Begegnung mit Kollegen geworden. Immer noch auf die reine Versorgungsfunktion abzustellen, wäre viel zu kurz gegriffen.

 

Schwachstellen- und Potenzialanalyse – Bedarfsgerechte Lösungen mit allen Beteiligten erarbeiten!

 

Anhand unserer Eindrücke vor Ort sowie unserer jahrelangen Praxiserfahrung konnten wir jeweils ein umfassendes Schwachstellenprofil der einzelnen Betriebsrestaurants entwickeln und vor allem konkrete Vorschläge machen für kurz-, mittel- und langfristig umsetzbare Verbesserungsmaßnahmen.

 

Grundlage waren hier insbesondere die Ideen der Mitarbeiter bzw. Kantinennutzer! Zu diesem Zweck führten wir einen Workshop mit den zuständigen Interessenvertretern im Unternehmen durch. Im aktiven Austausch mit Betriebsrat /Kantinenausschuss und Unternehmensvertretern (Personalabteilung, Projektmanagement und Einkauf) sammelten wir Ideen und Anregungen für die Neuausrichtung der Betriebsgastronomie im Unternehmen – natürlich mit anschließender fachlicher Plausibilisierung und Sondierung, denn nicht alle Ideen lassen sich wirtschaftlich und technisch umsetzen!

 

Aus den Workshop-Ergebnissen und unserer Schwachstellen- und Potenzialanalyse entwickelten wir konkrete Handlungsempfehlungen, unterschieden nach kurzfristigen (operativen), mittelfristigen sowie langfristigen (u.a. baulichen) Optimierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen, wie sie sich unter dem Stichwort „Flexibilisierung unserer Arbeitswelt“ stellen. Damit sind die Grundlagen geschaffen.

 

Nun dürfen wir gespannt sein, wie das Projekt zur „ bedarfsgerechten Neuausrichtung der Betriebsgastronomie“ konkret umgesetzt wird. Vielleicht dürfen wir das Unternehmen auch auf diesem Weg begleiten!

 

Erstellungsdatum: 2. August 2016

Autor: Josephine Hummel, Beraterin / Consultant bei HOGARAT

Download
Fallstudie: Auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Betriebsgastronomie!
Gemeinschaftsverpflegung Fallstudie.pdf
Adobe Acrobat Dokument 328.2 KB